Lebensmittel als Klimatreiber – Der Schas mit dem Methan

Manche mögen’s heiß. Andere nicht. Eine aktuelle Studie zeigt auf, warum unsere Lebensmittel einen großen Teil der Klima-Problematik darstellen.

Autor: Sonja Bart

Es wird eng, wenn wir das 1,5-Grad-Klimaziel noch einhalten wollen. Bei der Klimakonferenz in Paris im Dezember 2015 verständigten sich die teilnehmenden Länder darüber, harte Maßnahmen zu setzen. Das Ziel: Die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen – also bevor die Menschheit begonnen hatte, im großen Maßstab fossile Rohstoffe zu verbrennen. Und wie sieht es jetzt, mehr sieben Jahre später aus? Gar nicht gut. Viele Klimaforscher gehen inzwischen davon aus, dass der Zug für die Einhaltung dieses Zieles schon abgefahren ist.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.dailymotion.com zu laden.

Inhalt laden

Mit dem Klimaschutzpaket „Fit for 55“ möchte die EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Spät, aber immerhin. Als Zwischenschritt sollen die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 gesenkt werden. 12 Maßnahmen wurden von der Kommission ausgearbeitet, die die Politik der EU in den Bereichen Klima, Energie, Landnutzung, Verkehr und Steuern neu gestalten sollen, um diese Messlatte zu erreichen: So soll die EU fit werden, die Emissionen auf die angestrebten minus 55 % zu senken. Was das für Wohngebäude bedeutet, haben wir in einem früheren Artikel bereits besprochen.

Studie: Lebensmittel als Klimatreiber

Eine aktuelle Studie in Nature Climate Change beschäftigt sich mit der Rolle des Lebensmittelkonsums auf die Treibhausgasemissionen. Ein Problem bei der Auswertung war für die vier Autorinnen vom US-amerikanischen Environmental Defense Fund allerdings ihre Datenbasis: Die Berichterstattung über die Emissionen von Lebensmitteln ist einerseits nicht detailliert genug, andererseits werden dabei häufig zu stark vereinfachende Maßstäbe wie z.B. ein CO₂-Äquivalent verwendet.

Deshalb mussten sie erst einmal ein „globales Inventar der Treibhausgasemissionen des Lebensmittelkonsums“ schaffen, das die einzelnen emittierten Gasarten (wie Kohlendioxid oder Methan) einzeln erfasst. Mit diesen Daten fütterten sie ein vereinfachtes Klimamodell, das den Beitrag der einzelnen Datensätze zur künftigen Erderwärmung berechnete und gleichzeitig aufzeigt, welchen potenziellen Nutzen bestimmte Minderungsmaßnahmen haben könnten.

Das Ergebnis: Der weltweite Lebensmittelkonsum ist ein riesiger Faktor. Bis zum Jahre 2100 könnte dieser bis zu 1 °C zur Erderwärmung beitragen. Dabei ist Methan wiederum der größte Klimatreiber. Etwa 75 Prozent der Erwärmung ergeben sich durch Produktion von Lebensmitteln, die als große Methanquellen gelten, wie Fleisch von Wiederkäuern, Milchprodukte oder Reis. Die gute Nachricht: 55 % der berechneten Erwärmung können durch ein Paket an Maßnahmen abgefangen werden: Verbesserung der Produktionsverfahren, Ernährungsumstellung hin zu einer gesunden Ernährung, Verringerung der Lebensmittelverschwendung durch Handel und Verbraucher.

Grafik: Beitrag von Lebensmittel-Gruppen zur Erderwärmung
Grafik: Beitrag von Lebensmittel-Gruppen zur Erderwärmung. Quelle: Nature Climate Change

Aussichten: zu heiß! Was tun?

Aktuell hat sich die Erde bereits um mehr als ein Grad über dem vorindustriellen Niveau erwärmt. Die Jahre zwischen 2010 und 2020 waren im Schnitt 1,1 °C wärmer als jene der definierten „vorindustriellen“ Phase von 1850 bis 1900. Schlägt man die 0,5 bis 1,1 Grad auf, die sich laut Forscherinnen je nach Berechnungsmodell (und inklusive der Datenungenauigkeit) ergeben, so liegen wir 2100 bereits über dem 1,5-Grad-Ziel. Und hier wurden die weiteren Erwärmungen wie z.B. durch Verkehr, Industrie und Gebäude noch gar nicht berücksichtigt.

Die gute Nachricht: Durch unsere persönlichen Gewohnheiten können wir unseren kleinen Teil dazu beitragen, dass die Prognosen nicht so schlimm ausfallen. Eine Möglichkeit besteht darin, den Konsum von Fleisch und Milchprodukten zu reduzieren oder ganz darauf zu verzichten. Denn die Produktion von Fleisch und Milchprodukten erfordert nicht nur große Mengen an Wasser und Land, sondern erzeugt auch große Mengen an Treibhausgasen, ganz besonders den Klimakiller Methan.

Eine pflanzliche Ernährung kann wesentlich dazu beitragen, den den Klima-Fußabdruck zu reduzieren. Hierbei müssen aber noch verschiedene Anbaumethoden unterschieden werden. Der traditionelle Nassreis-Anbau (etwa 90 Prozent der weltweiten Produktion) erzeugt viel Methan auf den gefluteten Feldern. Wechselt man zwischen Überschwemmungs- und Trockenphasen, sinkt der Methanausstoß erheblich, aber dafür produzieren diese Felder nun mehr Lachgas – auch ein problematisches Treibhausgas. Die Rechnung ist trotzdem besser als beim Nass-Anbau: Der Klimaschaden ist um ein Viertel verringert und es wird dabei auch viel weniger Wasser verbraucht.

Es gibt noch weitere Möglichkeiten beim Einkauf auf das Klima zu achten: Saisonale Lebensmittel sparen Energie und damit Treibhausgase bei der Kühllagerung. Regionale Lebensmittel verkürzen die Transportwege und reduzieren damit die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Im Ressourcenverbrauch gewinnen regionale Lebensmittel aber nur, wenn sie saisonal sind. Im Vergleich Kühlhauslagerung und Langstreckentransport mit dem Schiff steigt letzteres oftmals besser aus.

Und bitte die Lebensmittelverschwendung nicht vergessen: 11 Millionen Tonnen Lebensmittel landen jährlich in Deutschland im Müll. 59 Prozent davon im Haushalt. Deshalb werden Maßnahmen, welche die Produzenten und den Handel zwingen, nichts Unverdorbenes mehr wegzuwerfen, alleine nicht ausreichen!

Lebensmittelverschwendung ist ein großes Problem, das gerade mit Blick auf die Klimakrise dringend angepackt werden muss – und zwar überall dort, wo Lebensmittel tatsächlich verschwendet werden.

Cem Özdemir, deutscher Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft
Lebensmittelverschwendung im Haushalt
Hier geht’s zur Studie des GfK

Zusammenfassend können wir als Verbraucherinnen und Verbraucher durch unsere Ernährungsgewohnheiten einen erheblichen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels leisten, indem wir unseren Fleisch- und Milchkonsum reduzieren, saisonale und regionale Lebensmittel kaufen, Lebensmittelverschwendung vermeiden und auf eine nachhaltige Landwirtschaft achten.

Die Studie im Detail:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Kleine Sprachkunde: Im österreichischen Dialekt wird das Wort Schas (auch: Schaas oder Schaß) in vielerlei Kontext verwendet: Der Schas ist einerseits ein Darmwind, kann aber auch für Unsinn stehen. Als der Ausruf „So a Schas!“ steht er für Verärgerung über Umstände, die man nicht ändern kann.


Quellen: Nature Climate Change, Bundeskanzleramt, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Vegans for Future, Der Standard, Frankfurter Rundschau, Bildungswiki Klimawandel, Planet Wissen, Aargauer Zeitung, Ostarrichi.org

Aktuelle Faktenchecks von Mimikama:
Die Maske verstößt nicht gegen das Verbot der Gesichtsverhüllung
Annalena Baerbock: Falsches Zitat zur Witwenrente
Verstörendes Video zeigt nicht die Entfernung eines „Impfwurms“


Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell
war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur
Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.


2) Einzelne Beiträge (keine Faktenchecks) entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und
wurden vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)


Mehr von Greenkama