Wissenschaftler Patrick Brown manipuliert Klimadaten und stellt sich selbst als Opfer dar
Herausgeber und andere Wissenschaftler:innen widersprechen ihm deutlich und zeigen Widersprüche auf. Die Vorwürfe des Wissenschaftlers bleiben unbelegt.
Die Behauptung
Patrick Brown behauptet, wissenschaftliche Magazine akzeptieren Studien eher, wenn Aspekte ausgelassen werden, die den Einfluss der globalen Erwärmung relativieren können.
Deshalb habe er in einer Studie zum Thema Waldbrände verschiedene relevante Aspekte nicht berücksichtigt.
Unser Fazit
Die Behauptung bleibt unbelegt. Kommentare im Peer-Review – der Begutachtung der Studie vor der Veröffentlichung, forderten im Gegenteil eine Berücksichtigung der genannten Aspekte. Brown lehnte die Berücksichtigung dennoch mit einer anderen Begründung ab.
Seine Kommunikation mit dem Journal wirkt vor dem Hintergrund seiner später erhobenen Vorwürfe schwer nachvollziehbar und unehrlich.
Eine Woche nach Veröffentlichung von Patrick Browns Studie über die Waldbrandgefahr in Kalifornien im renommierten Wissenschaftsjournal Nature wendete sich der US-Wissenschaftler Patrick Brown an die Presse und löste mit brisanten Aussagen eine Kontroverse aus.
Die Studie von Patrick Brown
In der Studie wurde untersucht, wie stark die Temperaturentwicklung das Risiko von „extremem täglichem Waldbrandwachstum“ in Kalifornien erhöht.
Brown behauptete eine Woche nach Veröffentlichung in dem US-amerikanischen Onlinemagazin Free Press, die Studie wäre nur deshalb veröffentlicht worden, weil er bewusst „nur einen Teil der Wahrheit“ präsentiert hatte und sich auf den Einfluss des Klimawandels konzentrierte, um den Erwartungen der Redakteure gerecht zu werden. Dies führte zu weit verbreiteter Kritik von anderen Wissenschaftlern und der Herausgeberin des Journals Nature.
Auch einige deutsche Medien haben Browns Behauptungen übernommen, ohne ihren fragwürdigen Wahrheitsgehalt zu hinterfragen. Unter anderem Axel Bojanowski, Chefredakteur der Wissenschaftsredaktion der Welt, gibt einseitig Browns Behauptungen Raum, die Zweifel an der wissenschaftlichen Integrität großer Fachjournale säen. Zeit für eine Gegendarstellung:
Brown wirft wissenschaftlichen Journalen vor, eine vorgegebene Agenda zu verfolgen und Forschungsarbeiten abzulehnen, die nicht in ihr „Narrativ“ passen würden. Deshalb hätte er bewusst nur den Einfluss der Temperaturen auf die Wahrscheinlichkeit und Intensität von Waldbränden berücksichtigt und Einflussfaktoren wie Waldmanagement, unterirdische Verlegung von Stromkabeln zur Prävention und andere menschliche Aktivitäten, die Brände auslösen, nicht genauer untersucht.
Was zeigen die Peer-Review-Kommentare der Studie?
Alle Forschungsarbeiten in seriösen wissenschaftlichen Zeitschriften durchlaufen ein „Peer-Review“. Dabei begutachten mehrere unabhängige Wissenschaftler:innen vom selben Fach, die nicht an der Studie beteiligt sind, die Arbeit – oft anonym. Sie empfehlen eine Veröffentlichung oder Ablehnung und können Änderungen und Verbesserungen vorschlagen. In diesem Fall gab es drei Gutachter:innen für das Paper. Die Anmerkungen sowie die Antworten der Forschungsgruppe wurden ebenfalls veröffentlicht.
Ihre Kommentare entkräften Browns Behauptungen, er sei ermutigt worden, einen engen Fokus auf ein vorherbestimmtes „Narrativ“ zu legen. Zwei der drei Gutachter:innen erklärten, sie könnten die Arbeit in ihrer ursprünglichen Form nicht zur Veröffentlichung empfehlen. Sie wiesen beide auf den begrenzten Umfang der Studie hin.
Gutachter:in 1 merkte an, dass „die Verwendung des Wachstums von Waldbränden als Schlüsselvariable bedenklich ist“, und fügte hinzu:
„Wie die Autoren einräumen, gibt es zahlreiche Faktoren, die das Wachstum von Waldbränden beeinflussen und die in dieser Studie nicht direkt berücksichtigt werden… Vegetationstyp (Brennstoff), Entzündungen (Blitzschlag und Menschen), Brandbekämpfungsmaßnahmen (direkte und indirekte Unterdrückung, vorgeschriebenes Feuer, politische Maßnahmen wie Feuerverbote und Waldsperrungen) und Brandlast“.
Gutachter:in 3 war besorgt darüber, dass „das Szenario des Klimawandels nur die Temperatur als Input für das veränderte Klima enthält“ und fügte hinzu, dass „Veränderungen der Luftfeuchtigkeit ebenfalls von großer Bedeutung wären“.
In einer ausführlichen Antwort schrieben die Autoren, dass sie „zustimmen, dass andere Klimavariablen als die Temperatur für die Projektion von Veränderungen des Waldbrandrisikos wichtig sind“, und fügten hinzu:
„Neben der absoluten Luftfeuchtigkeit gibt es weitere wichtige Variablen wie Veränderungen bei den Niederschlägen, den Windmustern, der Vegetation, der Schneedecke, den Entzündungen, der vorangegangenen Brandaktivität usw. Ganz zu schweigen von Faktoren wie Veränderungen in der Verteilung der menschlichen Bevölkerung, Brandschneisen, Landnutzung, Entzündungsmuster, Brandbekämpfungstaktiken, Waldbewirtschaftungsstrategien und langfristige Anhäufung von Brennstoffen.“
Als Grund für die Fokussierung auf nur einen Schlüsselaspekt erklärten sie, dass die Erarbeitung der Studie wesentlich schwieriger und komplexer werden würde, wenn sie mehrere Aspekte berücksichtigen würden:
„Es ist jedoch sehr schwierig, Veränderungen bei all diesen Variablen und ihren potenziellen Wechselwirkungen gleichzeitig zu berücksichtigen“, so die Forscher:innen.
„Genau aus diesem Grund haben wir uns für eine Methodik entschieden, die sich mit der viel klareren, aber enger gefassten Frage befasst, welchen Einfluss die Erwärmung allein auf das Risiko extremer täglicher Waldbrände hat“.
Das Team um Brown fügte hinzu:
„Wir glauben, dass die Untersuchung des Einflusses der Erwärmung für sich genommen wertvoll ist, weil die Temperatur die Variable im Dreieck des Verhaltens von Waldbränden ist, die bei weitem am direktesten mit den steigenden Treibhausgaskonzentrationen zusammenhängt und daher bei zukünftigen Prognosen am stärksten eingeschränkt ist. Es besteht nicht einmal ein Konsens über die erwartete Richtung der Veränderung vieler anderer relevanter Variablen.“
Zwischenergebnis der Nachforschungen
- Brown hat nach der Veröffentlichung der Studie behauptet, sie sei nur veröffentlicht worden, weil er bewusst wichtige Faktoren nicht berücksichtigt habe.
- Zwei Gutachter:innen der Studie haben genau wegen der fehlenden Berücksichtigung dieser Punkte eine Ablehnung der Studie nahegelegt.
- Brown bestand auf das Weglassen dieser Punkte mit der Begründung, es wäre „sehr schwierig, Veränderungen bei all diesen Variablen und ihren potenziellen Wechselwirkungen gleichzeitig zu berücksichtigen“
Deutlicher Widerspruch von Wissenschaftlern und vom Journal
So meldeten sich einige Wissenschaftler:innen und Dr. Magdalena Skipper, die Chefredakteurin von Nature, schnell zu Wort und wiesen darauf hin, dass das Peer Review ausdrücklich nicht die Behauptungen Browns stützt.
Gavin Schmidt, Direktor des NASA Goddard Institute for Space Studies, bezeichnete gegenüber E&E News Browns Vorgehen als „monumental unethisch“. In seiner jahrzehntelangen Forschungstätigkeit auf diesem Gebiet könne er sich nicht daran erinnern, dass ein anderer Autor die Veröffentlichung als „Spiel“ betrachtet hätte. „Er hat sich selbst verraten – er hat das alles gemacht. Niemand hat ihm etwas getan.“
“He’s whistleblowing on himself — he did all of this. Nobody did anything to him.”
Chefredakteurin Skipper warf Brown „schlechte Forschungspraktiken“ vor, die „nicht im Einklang mit den Standards stehen, die wir für unsere Zeitschrift setzen“.
In einer Erklärung, die an Carbon Brief und andere Medien herausgegeben wurde, sagte die Skipper, dass die Zeitschrift „sorgfältig die Auswirkungen von [Browns] Handlungen prüft“, die „schlechte Forschungspraktiken [der Autoren] widerspiegeln und nicht mit den Standards übereinstimmen, die wir für unsere Zeitschrift festgelegt haben“.
Nature erwarte, dass Forscher die „am besten geeigneten“ Daten und Methoden in ihrer Arbeit verwenden, „einschließlich aller Schlüsselfakten und -ergebnisse, die für die Hauptschlussfolgerungen eines Artikels relevant sind“, so Skipper. Wenn Forscher dies absichtlich nicht täten, sei dies „bestenfalls höchst unverantwortlich“, warnte sie.
Sie ging auch auf die Frage der Peer-Review-Kommentare ein:
„Ich stelle fest, dass das Problem der fehlenden Einbeziehung anderer Variablen als des Klimawandels während des Peer-Review-Prozesses hervorgehoben wurde, aber die Autoren selbst haben sich gegen die Einbeziehung ausgesprochen.
Skipper fuhr in der Erklärung fort:
„Wenn es um Wissenschaft geht, hat Nature kein bevorzugtes Narrativ. Die Nature-Redakteure entscheiden über die Veröffentlichung ausschließlich danach, ob die Forschung unsere Kriterien für die Veröffentlichung erfüllt: originäre wissenschaftliche Forschung (bei der die Schlussfolgerungen durch die verfügbaren Beweise hinreichend gestützt werden), von herausragender wissenschaftlicher Bedeutung, die zu einer Schlussfolgerung führt, die für eine multidisziplinäre Leserschaft von Interesse ist.
Abschließend nannte Skipper drei Beispiele für jüngste Veröffentlichungen in Nature, die „nicht den von Brown behaupteten redaktionellen Verzerrungen entsprechen“.
Sie verwies auf eine Studie, der zufolge die Auswirkungen von Hitzewellen im Meer auf bodenlebende Fische „oft minimal“ sind. In einem anderen Artikel wird festgestellt, dass der Rückgang der Kohlenstoffsenke im Amazonasgebiet hauptsächlich auf eine geringere Rechtsdurchsetzung und nicht auf Klimaveränderungen zurückzuführen ist.
Und in einem Artikel über die Faktoren, die zur Ausbreitung von Waldbränden in Gemeinden beitragen, wird die bauliche Umgebung in brandgefährdeten Regionen erörtert, z. B. Dachmaterialien, Verkleidungsarten und die Größe und Lage von Fenstern.
In seiner Antwort auf Twitter sagte Brown: „Natürlich gibt es Gegenbeispiele“ und fügte hinzu: „Ich will damit nicht sagen, dass es unmöglich ist, hochwirksame Arbeiten zu veröffentlichen, die von der von mir beschriebenen Formel abweichen, sondern dass es viel schwieriger ist“.
Überzeugende Belege für seine Behauptungen konnte Patrick Brown nicht aufzeigen.
Ein Studien-Mitautor sagte gegenüber Carbon Brief, dass Browns Kommentare ihn „überrascht“ hätten und dass er „nicht glaube, dass er viele Beweise hat, um seine starken Behauptungen zu stützen, dass Herausgeber und Gutachter voreingenommen sind“.
Was sagt die Studie aus?
Die Studie nutzte maschinelles Lernen, um die Beziehungen zwischen Temperatur, Trockenheit und dem Risiko von „extremem täglichem Wachstum von Waldbränden“ in Kalifornien zu analysieren. Die Autoren bewerten, wie sich Brände in einem wärmeren Klima ausbreiten würden, während andere Bedingungen konstant bleiben.
Die Ergebnisse zeigen, dass die menschliche Erwärmung die Häufigkeit von extremen Flächenbränden im Durchschnitt um 25% im Vergleich zu vorindustriellen Bedingungen erhöht hat. In einem Szenario mit geringer zukünftiger Erwärmung könnte die Häufigkeit bis zum Ende des Jahrhunderts um 59% steigen, während sie unter einem sehr starken Erwärmungsszenario um 172% ansteigen könnte.
Fazit
Patrick Browns Vorwürfe bleiben unbelegt. Kommentare im Peer-Review forderten im Gegenteil eine Berücksichtigung der genannten Aspekte. Brown lehnte die Berücksichtigung dennoch mit einer anderen Begründung ab.
Seine Kommunikation mit dem Journal wirkt vor dem Hintergrund seiner später erhobenen Vorwürfe schwer nachvollziehbar und unehrlich.
Quelle:
nature.com, Peer Review File, CarbonBrief, E&E News, The Free Press, Welt.de
Autor: Michael Kipp
Das könnte auch interessieren:
Irreführende Grafik suggeriert einen Rückgang klimabedingter Todesfälle – eine Detailanalyse
Verschwörungsmythen: Die Geheimnisse, die uns trennen
Affenbaby-Videos: Das dunkle Geheimnis hinter den Klicks
Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell
war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur
Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.
2) Einzelne Beiträge (keine Faktenchecks) entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und
wurden vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)